Citizen-Science-Projekt

Grüne Oasen – Wirkung innerstädtischer Grünflächen auf das Stadtklima

Der FOSSGIS e.V hat das Konzept Grüne Oasen – Wirkung innerstädtischer Grünflächen auf das Stadtklima gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin sowie den Berliner Kleingartenkolonien “Am Stadtpark I” e.V. und “Grüne Aue” für die zweite Stufe des bundesweiten Wettbewerbs “Auf die Plätze! Citizen Science in deiner Stadt” eingereicht. Das Konzept ist aus einer Ideenskizze entwickelt worden, die in der ersten Wettbewerbsstufe gemeinsam mit neun anderen Einreichungen für das Finale ausgewählt wurde. Drei dieser zehn Vorhaben werden im September von der Jury ausgezeichnet und erhalten ein Preisgeld von 50 000 €, um ihre Idee zu verwirklichen. Die Umsetzungsphase ist dann von Oktober 2023 bis September 2024.

Leider wurde unser Projekt nicht für die Förderung ausgewählt. Wir gratulieren den drei Gewinnern ganz herzlich und danken allen, die uns unterstützt haben, ganz besonders den Organisator:innen des Wettbewerbs. Gemeinsam mit den anderen Beteiligten wollen wir ausloten, was von unserer Idee auch ohne die Förderung im Rahmen dieses Wettbewerbs umgesetzt werden kann.

Abstimmung Publikumspunkte

In einer Online-Abstimmung konnten wir bis zum 21.07.2023 Publikumspunkte sammeln. Unser Projekt erhielt 481 Stimmen.

Unsere Ideenskizze als Schlaglicht

Der Klimawandel begünstigt extreme Hitzeereignisse mit erheblichen Auswirkungen auf städtische Gebiete. Innerstädtisches Grün wie beispielsweise Kleingärten haben ein hohes Potenzial, diese Auswirkungen abzumildern. Wir möchten wissen, wie Stadtgrün Hitzewellen für die Menschen erträglicher macht, indem es z.B. die Stadt kühlt. Eine Antwort auf diese Frage liefern aussagekräftige Analysen zum innerstädtische Mikroklima wie hochaufgelöste Modellrechnungen. Diese brauchen eine breite Datengrundlage. Eine breitere Datengrundlage, als sie die öffentlich verfügbaren amtlichen Geodaten liefern. Wir schaffen diese Datengrundlage gemeinsam mit Bürger*innen, die mikroklimatisch bedeutsame Dinge wie Bäume, Sträucher, Hecken,… aber Gebäudedetails wie Fassadenmaterialien oder Dachformen,… in ihrer näheren Umgebung in OpenStreetMap erfassen.Wir bringen interessierte Menschen, OpenStreetMapper*innen, die OpenSource-Software-Community und Wissenschaftler*innen zusammen, so dass alle gemeinsam an der Erforschung des Stadtklimas mitwirken können.

Die Idee von Anfang an:

Offene Geodaten…

Offene Geodaten, die von den Bundesländern in ihren Geodatenportalen zur Verfügung gestellt werden, bilden eine wichtige Grundlage für Stadtklimaanalysen. Dazu zählen öffentliche Kataster wie das Amtliche Liegenschaftskatasterinformationssystem (ALKIS) oder öffentliche Baumkataster. Ebenso veröffentlichen die Länder Fernerkundungsdaten wie Luftbilder und daraus abgeleitete Geländemodelle.

…und was sie nicht enthalten

Amtliche Geodaten enthalten nur bestimmte Informationen, beispielsweise Grundrissdaten genehmigungspflichtiger Gebäude oder Straßenbäume bzw. Bäume in öffentlichen Grünanlagen. Lauben und Bäume in Kleingartenanlagen, aber auch Bäume auf Privatgrundstücken sind beispielsweise in der Regel nicht in amtlichen Geodaten enthalten.

OpenStreetMap

OpenStreetMap ist eine offene Geodatenbank, die von einer großen, weltumspannenden Community erzeugt und gepflegt wird (es ist gewissermaßen so etwas wie ein Wikipedia für Geodaten). Etwas in OpenStreetMap zu kartieren bedeutet, Datensätze in dieser Datenbank anzulegen oder zu ergänzen, die dann ein einer Karte angezeigt werden können. In großen Städten, wo es viele OpenStreetMap-Beitragende (Mapper genannt) gibt, enthält OpenStreetMap sehr detaillierte Informationen, die die öffentlichen Geodaten sehr gut ergänzen.

Die folgenden drei Kartenbeispiele zeigen einen Teil der Berliner Kleingartenkolonie “Am Stadtpark I” (ein Klick auf den Link führt auf die interaktive Karte): ALKIS als Beispiel für amtliche Geodaten (links), bildbasiertes Digitales Oberflächenmodell (bDOM) als Beispiel für die Information aus offenen Fernerkundungsdaten (mittleres Bild), OpenStreetMap-Karte (rechts).

ALKIS - Geoportal Berlin bDOM - Geoportal Berlin

Die OpenStreetMap-Karte besitzt einen viel höheren Detailgrad: Es sind die Umrisse der Lauben und die Parzellengrenzen eingezeichnet, beim Hineinzoomen erscheinen einzelne Bäume und Sträucher mit Bezeichnung der Art.

Das Beste aus beiden Welten

Bei den in OpenStreetMap erfassten Bäumen fehlen in der Regel die mikroklimatisch relevanten Parameter wie Höhe und Kronendurchmesser. Diese lassen sich mit Hilfe eines neu entwickelten machine-learning-basierten Verfahrens aus offenen Fernerkundungsdaten gewinnen, ebenso die Umrisse von Gebäuden. Die Verfahren wurden in zwei Vorträgen auf der diesjährigen FOSSGIS-Konferenz vorgestellt [1,2] . Mit den so erhaltenen Informationen über Baumstandorte, Baumhöhen und Baumkronendurchmesser können vorhandene OpenStreetMap-Daten vervollständigt werden. Die aus diesen Verfahren gewonnenen Daten können aber auch als Grundlage für die Kartierung weiterer Kleingartenkolonien und anderer innerstädtischer Grünanlagen in OpenStreetMap dienen.

Und wozu Citzen Science und OpenStreetMap? Könnte man die Fernerkundungsdaten nicht auch direkt nutzen?

Aus Fernerkundungsdaten erhält man weniger Informationen als vor Ort. So erkennt man beispielsweise einen Laubbaum mit einer bestimmten Größe. Vor Ort kann man zusätzlich die Baumart bestimmen, Stammumfang messen oder von Menschen in der Umgebung das Pflanzdatum in Erfahrung bringen. Auch stellen Fernerkundungsdaten immer nur eine Momentaufnahme des Zeitpunkts der Datenerhebung dar (beispielsweise einer Befliegung bei Luftaufnahmen). Aus anderen Projekten wissen wir, dass von einer aktiven vor-Ort-Community gepflegte Daten oftmals aktueller sind als von öffentlichen Stellen erhobene Datensätze. Wir führen amtliche und Fernerkundungsdaten mit dem Wissen der Menschen vor Ort zusammen und erzeugen so einen wertvollen, vielfältig nachnutzbaren Datenschatz.

Wie können wir daraus nun etwas über das Stadtklima lernen?

Die erhobenen Daten dienen als Grundlage für Analysen des innerstädtischen Mikroklimas. So können hochaufgelöste Modellrechnungen mit einem bisher noch nicht erreichten Detaillierungsgrad durchgeführt werden. Hierzu kann das vom Deutschen Wetterdienst zur Verfügung gestellte Stadtklimamodell PALM-4U eingesetzt werden. Die im Rahmen unseres Projekts erhobenen Daten werden als sogenannte “static driver” in den Modellsimulationen berücksichtigt. Bäume können beispielsweise als Objekte mit einer bestimmten Größe und Blattdichte modelliert werden. Bei Gebäuden spielen die Grundrisse und Strahlungseigenschaften der Fassaden (Albedo) eine Rolle. So können z.B. die Gartenlauben in einer Kleingartenkolonie mit in die Simulation einbezogen werden.

Was haben die Bürger*innen von dem Projekt?

Wir bringen Bürger*innen, OpenStreetMap- und OpenSource-Communitys, Wissenschaftler*innen und Stadtplaner*innen zusammen. Die Bürger*innen können eigene Forschungsfragen entwickeln, die im Projekt bearbeitet werden sollen. Sie können ihre eigenen Lebenswelterfahrungen mit dem in der Stadtklimaforschung bekanntem Wissen zusammenbringen und sich somit besser in Planungsprozesse einbringen.

Und was bleibt, nachdem das Projekt abgeschlossen ist?

Zunächst eine verbesserte Datengrundlage zu mikroklimatischen Eigenschaften der Berliner Stadtlandschaft: Für die Stadtklimaanalyse relevante Dinge sind in OpenStreetMap kartiert und stehen als Daten für Modellrechungen zur Verfügung. Diese von den Bürger*innen bei der OpenStreetMap-Kartierung ihrer Umgebung zusammengetragenen Informationen stellen einen wertvollen Datenschatz dar. Gemeinsam mit der OpenStreetMap-Community sollen die Daten weiter aktuell gehalten und ergänzt werden. So können die Daten vielfältig nachgenutzt werden, auch von Forschungsprojekten zu ganz anderen wissenschaftlichen Fragestellungen. Die im Projekt entwickelten Konzepte lassen sich auf andere Kleingarten- bzw. Grünanlagen und auf andere Städte übertragen. Bürger*innen, OpenStreetMap-Communitys und Wissenschaftler*innen sollen überall zu ähnlichen Projekten ermutigt werden. Im Projekt entwickelte Software soll als freie OpenSource-Software dauerhaft zur Verfügung stehen. Messdaten, die im Rahmen des Projekts entstehen, beispielsweise zu Albedo oder Blattdichte, sollen gemäß der FAIR-Prinzipien dauerhaft verfügbar gemacht werden.

Ansprechpersonen:

  • Oliver Rudzick csp@rudzick.de
  • Katja Haferkorn info@fossgis.de

Projektflyer zum Herunterladen als Pdf

Referenzen

[1] Weinmann, Anika; Krisztian, Lina; Metz, Markus; Krelaus, Leonie; Nießen, Inga-Mareike: Automatisierte Detektion von Baumstandorten in der Metropole Ruhr. FOSSGIS Konferenz 2023 : Berlin, 15. - 18. März 2023, FOSSGIS e.V. et al., 2023. https://doi.org/10.544661099

[2] Krelaus, Leonie; Nießen, Inga-Mareike; Metz, Markus: Gebäudedetektion auf Basis von Luftbildern und Punktwolken des Regionalverbands Ruhr. FOSSGIS Konferenz 2023 : Berlin, 15. - 18. März 2023, FOSSGIS e.V. et al., 2023. https://doi.org/10.544661139